Es ist gerade Mal ein halbes Jahr her, da wurde der Jugendraum in der Petersberghalle (wieder-)
eröffnet. Mit Hausordnung und Nutzungsvertrag. Alkohol und Nikotinverbot sowieso. Dem Vernehmen nach ist er wohl aktuell, zumindest vorübergehend, wieder zu. Das wohl in Folge eines Vorfalls, bei dem Raum und Halle in einer Art und Weise genutzt wurden die in Hausordnung und Nutzungsvertrag so nicht vorgesehen war.
Auf die Details muss ich nicht eingehen, ich kenne sie nicht aus erster Hand und man hat das Ganze wohl auch ganz bewusst nicht an die große Glocke gehängt. Es reicht zu wissen, dass eine Gruppe Jugendlicher, wohl nach Genuss der ein oder anderen Flasche Gerstensaft, auf eine saublöde Idee kam, die einen Schaden verursacht hat. Jugendliche halt.
Das kann man nun zum Anlass nehmen, darüber nachzudenken, was bei uns im Ort für die Jugend getan wird und wie sinnvoll das ist.
Da wäre zum einen die Frage wer das ist, die Jugend bei uns im Ort. Das ist ja alles andere als eine homogene Gruppe. Das Spektrum reicht von Jungs und Mädchen, die in Kirche und Sportvereinen engagiert, jedem Erwachsenen eine Freude sind, bis zu den Horden junger Männer die, eingehüllt in eine Wolke Testosteron, samstags grölend durch den Ort ziehen. Und alle Abstufungen dazwischen.
Wem also wollen wir, die Gemeinde, ein Angebot machen? Bei den oben erstgenannten, den braven, den "an-die-Regeln-haltern" ist das einfach. Je weiter wir uns im Spektrum Richtung "grölend und testosterongesteuert" bewegen, desto schwieriger wird's.
Kommen wir zurück zum Jugendraum. Der ist in der Petersberghalle. In einer Umgebung also, wo man wegen der Wertigkeit der Halle und der vielfältigen Möglichkeiten dort Schaden anzurichten in besonderer Weise auf die Einhaltung von Regeln halten muss. Das auch weil man als "Zurverfügungsteller" auch noch gesetzlichen Verantwortlichkeiten gerecht werden muss.
Ein solches Angebot kann sich also von vorne herein nur an den Teil der Jugend richten, der im oben beschriebenen Spektrum auf dem "guten" Drittel zu finden ist. Allein das Alkoholverbot schließt große Teile aus, weil und das muss man einfach sehen, Alkohol zum freizeitmäßigen Beisammensein vieler Jugendlichen gehört. Ich will das bewusst nicht werten, nur darauf hinweisen, zumal es bei uns Erwachsenen ja auch nicht immer anders ist. Bei mir zumindest.
Jetzt ist es natürlich legitim ein solches Angebot "Jugendraum" nur denen zu machen, die bereit sind sich an die Regeln zu halten. Dann muss man aber sehen, dass man ausgerechnet die anspricht die ohnehin "Räume" haben weil sich vielfältig an anderer Stelle engagieren (Kirchen,Schulen,Vereine). Also, so hart wie es klingt, man richtet es an die, die es am wenigsten nötig haben.
Es muss also die Frage erlaubt sein, ob a) der Jugendraum in der Petersberghalle an der richtigen Stelle ist und ob b) das zu Grunde liegende Konzept (soweit vorhanden) das richtige ist.
An der Stelle kommt das geplante Freizeitgeläne ins Spiel. Auch hier sind bereits besorgte Stimmen zu vernehmen, die von einer "falschen" Nutzung respektive den "falschen Nutzern" warnen. Es deutet sich also an, dass die Problemstellung eine ähnliche sein wird wie beim Jugendraum. Um es klar zu sagen: Ich meine, wer glaubt, dass auf diesem Gelände keine Flaschen aufgeschlagen werden, keine Tags und Graffitis auftauchen, nix zerschlagen und angekokelt wird und alle jungen Bäumchen auf der Ausgleichsfläche noch von unseren Enkeln gefällt werden können, der glaubt auch das Zitronenfalter Zitronen falten. Nur schließen kann man das dann nicht so einfach wie jetzt den Jugendraum.
Wieder die Frage nach der Zielgruppe : an wen richtet sich das Angebot "Freizeitgelände"? Oder anders herum: Wie müssten Angebote aussehen die sich (auch) an die "problematischeren" Jugendlichen richten ?
Ich denke, will man da eine Antwort versuchen muss man erst betrachten was genau diese Gruppen so tun. Und wo sie das tun.
Nun, einige trinken Alkohol in der Öffentlichkeit, gerade am Wochenende. Auch hier sind die Abstufungen vielfältig. Manche sitzen friedlich herum, bringen die leeren Flaschen oder Dosen zum Müll oder zur Pfandrückgabe und grüßen höflich wenn man vorbeikommt. Andere ziehen grölend durch den Ort, wirken bedrohlich und haben offenbar genug Geld um auf das Pfand zu verzichten. Irritierenderweise findet man manchmal ein und die selben um halb sieben abends in der einen und um halb eins nachts in der anderen Gruppe. Manche rauchen und die wenigsten expedieren Kippen oder leere Schachteln in die dafür vorgesehenen Behältnisse. Auch oft dabei: laute Musik, sei es aus mitgebrachten Gerätschaften oder dem offenen KFZ. Wieder andere missbrauchen öffentliche Einrichtungen für allerlei andere sportliche Aktivitäten. Dort wo sich diese jungen Menschen treffen, finden sich auch immer mal wieder allerlei Verzierungen unterschiedlicher künstlerischer Qualität, die vermittels Spraydose oder Filzschreiber aufgebracht werden. Die einzelnen Aktionen finden in unterschiedlicher Intensität und Zusammenstellung an verschiedenen Brennpunkten im und um den Ort statt.
Auch das will ich hier nicht werten. All dass halte ich bis zu einem gewissen Grad für vollkommen normal. Ich ( und sicher viele andere) hatte im Alter zwischen 17 und 22 ähnlich sinnfreie Hobbys gehabt.
Die Krux ist aber eine andere: All das nehmen wir hin, bis zu dem Punkt an dem wir dann in unserer Hilflosigkeit die Polizei rufen. Das wirft die Frage auf, ob wir (die Eltern, die Situierten, die Gesellschaft) uns richtig verhalten, aber das ist eine andere, viel komplexere Diskussion. Ich will lediglich auf eines hinweisen: Was soll diese Jugendlichen und junge Erwachsenen motivieren in ihnen zugewiesenen Räumen Regeln einzuhalten die "in freier Wildbahn" offenbar nicht gelten? Warum soll man in einem Jugendraum oder auf einem Freizeitgelände etwas unterlassen, das im Buswartehäuschen, im Wäldchen hinter der Halle oder auf jeder beliebigen Bank im Ort "geht"?
Das ist die Frage die wir beantworten müss(t)en, wenn wir auf diese Gruppen zugehen woll(t)en.
Da kommen wir mit Hausordnung und Nutzungsverträgen alleine nicht aus. Dazu müssten wir uns zuerst darüber klar werden was wir als Gemeinschaft tolerieren wollen oder können. Und dann sollten wir uns eingestehen, dass das was wir zu tolerieren bereit sind auch an den Plätzen passieren wird, die wir unseren Jugendlichen zur Verfügung stellen. Tolerieren heißt hier nicht "gut finden". Tolerieren heißt hier: Ich weiß was passieren kann, ich rechne damit dass es passieren wird, ich weiß wie ich darauf reagiere und ich weiß wie ich hinterher weiter mache.
Ich plädiere hier nicht für Zonen, seinen es ein Jugendraum oder ein Gelände, in denen alles pauschal und ohne Konsequenzen möglich ist. Aber ich glaube, dass man bei solchen Angeboten von vorne herein im Blick haben muss was passieren kann (und erfahrungsgemäß passieren wird). Entsprechend sollte man diese Angebote dann ausgestalten. und zwar auf allen Ebenen, von der Wahl der Örtlichkeit über die praktische Einrichtung bis zur Frage wie, von wem und in welcher Form das Angebot begleitet wird.
Jugendliche in der Pubertät ( und die dauert manchmal recht lange) gehen oft keine geraden Wege. Der eine mehr, der andere weniger. Der Versuch sie auf eine Gerade Bahn zu zwingen schlägt meist fehl. Je größer die Abweichung desto fataler ist oft das Ergebnis des Versuchs. Was es braucht sind Modelle zur Beeinflussung die sie immer und immer wieder an die Spur heranführen, sehenden Auges, dass sie die morgen vielleicht wieder verlassen.
Ich würde mich darüber freuen, wenn wir in Gau-Odernheim über eine Jugendpolitik debattieren die alle Jugendlichen im Blick hat. Auch die, bei denen es nicht so einfach wird sie anzusprechen.
Zum Abschluss zwei Zitate:
"Unsere Jugend ist heruntergekommen und zuchtlos. Die jungen Leute hören nicht mehr auf ihre Eltern. Das Ende der Welt ist nahe." (Keilschrifttext aus Ur, Chaldäa, um 2000 vor Christus)
Und das zweite:
»Achte die Jugend, du weißt nicht, wie sie sich entwickeln wird.« Konfuzius (551 - 479 v. Chr., chinesischer Philosoph)
Vorstehender Text ist ein persönliches Statement des Autors und keine Verlautbarung der FWG als Gemeinderatsfraktion oder des Vereins.
CM